Ambulante spezialfachärztliche Versorgung darf kein Ladenhüter werden

 

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Ein Ladenhüter darf der neue Versorgungsbereich der „ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung“ nicht werden – darüber waren sich die Diskutanten auf dem ersten Fachsymposium des Bundesverbands ambulante spezialfachärztliche Versorgung am Samstag in München einig. Doch goss Dr. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Wasser in den Wein: vor Mitte 2014 erwarte er keine operative Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelung des § 116b im SGB V.

Etwa achtzig Teilnehmer – hauptsächlich interessierte Fachärzte, aber auch Vertreter der Krankenkassen und der Industrie – waren der Einladung mit dem provokativen Titel „Kassenschlager oder Ladenhüter – was bringt die ambulante spezialfachärztliche Versorgung?“ ins Ärztehaus Harlaching gefolgt. Dr. Axel Munte, Vorstand der 2011 gegründeten Vertretung der hochspezialisierten Vertragsärzte, eröffnete die Veranstaltung mit einem Grußwort Josef Heckens, Chef des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Hecken positionierte sich darin eindeutig zu der in der Einladung formulierten Frage: „§ 116b darf kein Ladenhüter werden, und ich werde alles dafür tun, damit die Vorschrift auch in der Versorgungspraxis mit Leben erfüllt wird.“

Dass der Teufel dann aber im Detail steckt, bewies KBV-Vorstand Köhler in seinem Vortrag, in dem er die Vielschichtigkeit der neuen gesetzlichen Regelung aufzeigte. Viele Fragen, wie der neue Versorgungsbereich ausgestaltet werden solle, seien noch offen, zum Beispiel, Schilderte detailliert die Knackpunkte des §116b: Andreas Köhlerwo die Grenze zwischen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung und der ambulanten Regelversorgung gezogen werden solle. Zwar habe der neu gegründete Unterausschuss des G-BA zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) unter dem Vorsitz von Dr. Regina Klakow-Franck, der ehemaligen stellvertretenden Geschäftsführerin der Bundesärztekammer, mittlerweile seine Arbeit aufgenommen. Dennoch sei der vom Gesetzgeber vorgegebene Zeithorizont, die ASV bis Ende 2012 einzuführen, komplett unrealistisch. Auch äußerte Köhler erhebliche Zweifel, ob die vom Gesetz beauftragten Erweiterten Landesausschüsse mit Hilfe der Landesministerien den Aufgaben, die Zulassung und Qualifikationsprüfung der antragstellenden Vertragsärzte und Krankenhäuser zu prüfen, gewachsen seien. Die Kassenärztlichen Vereinigungen stünden hier als Dienstleister für die Prüfungen bereit. Generell führte Köhler aus, dass die Einführung der ASV zu einer Renaissance des KV-Systems führe. Jetzt bereits lägen Anfragen von Berufsverbänden vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen in dem in der ASV mittelfristig geplanten Fallpauschalensystem die Honorarverteilung zwischen den Ärzten eines an einem Fall beteiligten Behandlungsteams übernehmen solle.

Dr. Andreas Köhler wies jedoch ungeachtet der verfahrenstechnischen Probleme auf die Chancen der ASV für die Vertragsärzte hin: zum Beispiel die Vergütung der Leistungen zu festen Preisen ohne Budgets. Allerdings werde es in der ASV in einigen Indikationen Eingangsvoraussetzungen geben – beispielsweise das Vorhalten einer Intensivstation oder eines Notfalllabors – die die Niedergelassenen nur in Kooperation mit Krankenhäusern erfüllen könnten. Auch müssten sich die Fachärzte auf weitergehende Dokumentationen einstellen, da das Diagnose-Klassifikationssystem ICD-10 nicht ausreichen werden, um die im Gesetz vorgesehene Eingrenzung der ASV auf schwere Verlaufsformen abzubilden.

 

Stelle die Sicht der Krankenkassen dar: Thomas BodmerThomas Bodmer, Mitglied des Vorstands der DAK – Gesundheit, schloss sich Köhlers Auffassung an, dass die ASV eine Chance für eine Verbesserung der Behandlung schwerkranker Patienten durch eine bessere Kooperation ambulant/stationär sein könne. Doch auch aus Kassensicht seien noch viele Punkte offen, beispielsweise die Auswirkungen der ASV auf die Zuweisungen an die Krankenkassen aus dem morbiditätsbedingten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA). Bedenken äußerte Bodmer hinsichtlich des vereinfachten Zulassungsverfahrens zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung. Das Gesetz sehe hier eine automatische Zulassung zwei Monate nach Antragstellung vor, sofern die dafür zuständigen Erweiterten Landesausschüsse dem nicht widersprochen hätten. Hier müsse eine zuverlässige Überprüfung der Qualifikation der Antragsteller gesichert werden.

Dass die Bereinigung der Gesamtvergütung ein Streitpunkt in den kommenden Verhandlungen werden kann, zeigte sich ansatzweise bereits in der Diskussion. So wies Bodmer darauf hin, dass eine konsequente Bereinigung für die Krankenkassen unverzichtbar sei, da Leistungen ja aus der bisherigen ambulanten Versorgung in die ASV verlagert würden. Bodmer: „Es kann nicht alles nur on top gehen.“

Bis diese Streitfrage geklärt ist, dürfte noch einige Zeit verstreichen. Zunächst muss nun der G-BA die neue Versorgungsebene inhaltlich ausgestalten. Wenn diese Richtlinie, nach der zweimonatigen Beanstandungsfrist durch das Bundesgesundheitsministerium, formal in Kraft getreten ist, kann der Bewertungsausschuss tätig werden, um die Vergütung zu regeln und das Bereinigungsverfahren zu definieren.

In der anschließenden Diskussion wies Dr. Wolfgang Abenhardt, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands ambulante spezialfachärztliche Versorgung, auf die besondere Bedeutung der ASV für die niedergelassenen Onkologen hin. Abenhardt, aber auch andere Diskutanten aus dem Publikum, machen deutlich, dass die niedergelassenen Fachärzte heute bereits hohe Qualität in effektiven Strukturen anbieten würden und die ASV als Chance, die vorhandene Qualität auch zu zeigen, begreifen würden. Er zeigte auf, dass die vor Einführung des Gesundheitsfonds in Bayern von Axel Munte initiierten Strukturverträge, vor allem in der Onkologie, viele Voraussetzungen der ASV bereits seinerzeit erfüllten und sich als Pilotprojekte anbieten würden.

Dass die ambulante spezialfachärztliche Versorgung Bestand haben wird, darin waren sich Köhler und Bodmer zum Abschluss der Diskussion einig. „Alles im Gesundheitswesen dauert zehn Jahre. Aber in zehn Jahren wird das, was wir heute diskutiert haben, Relevanz für die Versorgung haben“, so Köhler.